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Sommermärchen 2006

In den letzten Tagen hört man vor allem in den deutschen Medien immer wieder vom Sommermärchen 2006. Für mich (Kev) war dieses Turnier so extrem wichtig, ja vielleicht sogar Überlebenswichtig.

März 2006, Kinderspital Zürich.

 Ich wurde vor kurzem 16 Jahre Alt, wog noch 24,5 kg und musste pro Tag ca. 130 Tabletten nehmen, in spitzen Zeiten waren es sogar 152.

Ja, ich war voller Schmerzen, wo kann ich nicht genau sagen, weil es überall war, Knochen, Muskel, Gelenke, aber vor allem auch die Speiseröhre, die total offen war, darum konnte ich mich nur über eine Magensonde ernähren. Langsam aber sicher bin ich in der Realität angekommen und habe gemerkt, dass es nichts mehr wird mit meinem Traum, Profisportler. Welchem ich seit meinem 5. Lebensjahr eigentlich alles untergeordnet habe.
Ich hatte das erste Mal nach meiner Blutkrebs-Diagnose, dem Tod meiner Mutter & der Transplantation ein wenig Ruhe. Da prasselte es das erste Mal auf mich ein und ich hatte das erste Mal starke mentale Probleme, so richtig krasse und wenn irgendeine OP nicht so gegangen wäre wie geplant wäre es mir in diesem Moment egal gewesen… denn Lebenswille hatte ich keinen mehr. Doch in diesen Tagen bekam ich Post, von der «Stiftung Sternsschnuppe“, dass mein Wunsch, welchen ich mir 1/2 Jahr zuvor wünschen durfte, in Erfüllung geht. Sofern es medizinisch ok ist.

Das hiess, mein Dad und ich fahren nach Hamburg an die WM, Italien-Tschechien, das letzte Gruppenspiel. Ja Pirlo, Totti, Gattuso, Cannavaro, Nesta, Del Piero, Buffon sowie Nedved live sehen unglaublich.
Wiedermal fliegen, was ich bis anhin nicht durfte wegen der Infektionsgefahr, mal weg von zuhause, Grossstadt, feiern, kurzum seit langem wiedermal etwas, wo ich mich darauf freuen konnte. Was Normales. Denn zu dieser Zeit war die einzige Freude, was ich hatte mal nicht stundenlang Blut erbrechen, nicht den ganzen Tag wegen dem Schmerz durch Weinen oder wenn ich mal draussen war Leute mich nicht ausgelacht und angepöbelt haben…. aber eben ich musste Minimum 26kg schwer sein um gehen zu dürfen. Darum habe ich mich ständig via Sonde ernährt, was hiess viel mehr schmerzen und viel mehr erbrechen. Geklappt hat es nicht aber mit 25,5 durfte ich trotzdem gehen.

Da waren wir also in Hamburg angekommen. Es war überwältigend, da ich zwar mein ganzer Mund voller Aphten hatte, konnte ich eine Woche lang nicht wirklich essen, aber, das war mir egal, vielleicht hätte ich meine Sondennahrung nicht zuhause lassen sollen. Aber ich hatte sowieso keine Zeit um zu essen, die Fanmeile auf St. Pauli rufte. Wir gingen praktisch jeden Tag dorthin oder an den Hafen. Aber eigentlich war es egal, wo man war, denn die WM war überall, alle feierten. Leute klatschten mit mir ab, als wäre ich ein normaler Junge. Etwas, was ich von zuhause nicht mehr gekannt habe. Denn die meisten, die mich kannten, mieden mich, weil sie nicht wussten wie mit mir umgehen, die, die mich nicht kannten, machten sich lustig über mich, wegen meiner entzündeten Augen, meinem Kortison Gesicht oder wie ich allgemein aussah, aber mehr dazu mal in einem späteren Beitrag.

Auf St. Pauli war auf jeden Fall alles anders.
Da wir VIP Tickets hatten, ja wir sitzen zwischen Franz Beckenbauer, Christian Vieri, und ganz vielen anderen Legenden und so. Mussten wir die Tickets in einem speziellen Hotel holen. Zuerst fuhren wir jedoch in irgendein Kaff in irgendeine Bruchbude. Bevor es dann ins richtige Hotel geht.

Unser Hotel war auch ein 5* Hotel und zufälligerweise haben auch ein paar vom italienischen Staff dort gehaust, welche mir alles, was sie noch hatten, schenkten, der Schlüsselanhänger ist auch heute noch täglich in Gebrauch.
Italien hat 2:0 gewonnen und ist danach Weltmeister geworden. Für mich war die Zeit in Hamburg so extrem schön und wichtig, da es mir wieder zeigte, das Leben ist schön und lebenswert. Es gab mir extrem viel Energie.

Ich werde es nie mehr vergessen. Ich hab in diesen Tagen alles gegeben, mein Körper war danach so leer, dass ich auf dem nach Hause weg vom Spiel, auf der Ubahn Treppe mein Körper im Stehen nicht mehr halten konnte und die Treppe runtergefallen bin und mein Knie mit 42 Stichen nähen musste.
Auch der Heimflug war ein grosses Erlebnis, wir flogen in ein extremes Sommergewitter über Lugano und kurz vor der Landung in Agno waren es für einmal die Menschen um mich, die sich ergeben musste und nicht ich. Ich nahm das für mich als Motivation, dass ich den riesigen Turbulenzen im Flugzeug standhalten konnte und wusste mein Körper kann noch viel mehr.
Zuhause kam dann leider der Alltag zurück, am 9.7 der Finaltag, war ein extremer Hitzetag. Ich hatte den ganzen Tag Atemprobleme und irgendwann gegen Mittag bin ich kollabiert, da meine Lunge kollabiert ist. Ich musste Notfall operiert werden und bin genau in der 2. Spielminute von der Narkose erwacht & habe vom Krankenhausbett aus das Finale geschaut, inklusive Kopfstoss von Zidane.