Als erstes jährte sich am 23.2.04 meine Blutkrebs-Diagnose zum zwanzigsten Mal.
Am 6. Dezember 2004 trat ich dann meine Reise ins Ungewisse zur Knochenmarktransplantation an und am 21.12.04 erfolgte nach abgeschlossener Chemo die Transplantation. Genau zwei Wochen später an meinem Geburtstag (3.1.) sah man die ersten eigenen Zellen im Blutbild, ziemlich kitschig aber ein super Geschenk.
Am 23. Februar 2004, wurde bei mir Blutkrebs diagnostiziert, und genau ein Jahr später, am 23. Februar 2005, durfte ich das Kispi Zürich nach der Transplantation verlassen. Der 23. Februar ist natürlich nicht nur irgendeinen Tag sondern der Geburtstag von meinem Papi. Obwohl ich immer schlecht in Mathe war, mit Zahlen kann ich ;). Aber ja drei Tage später war ich schon wieder für 3 Wochen im Krankenhaus.
Seit letztem Jahr habe ich insgesamt 80 Narkosen hinter mir (einschliesslich Kurznarkosen) also wieder was zum Feiern.
Zum anderen lebe ich mittlerweile seit 20 Jahren ohne meine Mam. Ihr Todestag war am 10. Juli 2004. An Ihrem ersten Geburtstag, nach Ihrem Tod am 10.2.05 bekam ich nach der Transplantation meine allerletzte Thrombozyten Transfusion (Gabe von gelben Blutplättchen). Die wollten bei mir sehr sehr lange nicht von alleine wiederkommen.
Aber ich habe auch viel zu feiern: Anja und ich sind 10 Jahre verheiratet und bald 15 Jahre zusammen. Mein ganzer (Halb-)Bruder wird 18 Jahre alt, und mein Herzinfarkt jährt sich im Januar bereits zum dritten Mal. Es gibt so viele Gründe, zu feiern, dass ich noch hier bin.
Die schönste Geschichte für mich ist jedoch die, wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke und nun auch mal das Daten & Zahlen jonglieren weglasse…
Anja war bei meinem Herzinfarkt dabei, als sie mich reanimierten, in diversen Schockräumen, in extrem hektischen Situationen, während 15 Ärzte um mich herumstanden und jeder noch eine Ampulle knickte. Als ich halluzinierte. Als ich nicht mehr konnte. Als ich nicht mehr wollte.
Meistens waren es Notfallsituationen, verbunden mit viel Hektik und Adrenalin. Sozusagen ein Crash, und dann habe ich mich wieder zurückgekämpft.
Im Herbst 2023 wurde mein Körper von Tag zu Tag schwächer, bis ich Ende November nicht mehr konnte. Wir gingen von meiner Hämatologin zum Kardiologen, zum Pneumologen und wieder zurück. Alles war ein wenig schlechter als ohnehin schon, aber nichts war so schlecht, dass es diese extreme Leistungsminderung hätte erklären können. Alle waren ratlos. Dieses Mal war es nicht einfach nur die Lunge oder das Herz – nein, mein gesamter Allgemeinzustand war so schlecht, dass ich nicht mehr laufen konnte. Ich konnte mich nicht mehr selbstständig anziehen, habe nur noch genickt, wochenlang kaum gesprochen, nichts gegessen und war einfach nur da.
Ich war völlig desorientiert, wusste manchmal nicht mehr, wo ich war. Es war das allererste Mal in 20 Jahren, dass ich auch kognitive Einschränkungen hatte. Mein Kurzzeitgedächtnis war weg. Ich hatte zwar auch Schmerzen, aber vor allem hatte ich Angst. Angst, dass ich sterben könnte, dass Anja allein sein würde. Dieses Gefühl hat mich kaputt gemacht. Wäre ich in dieser Zeit mental angeschlagen gewesen, hätte ich diese Phase sicher nicht so gut überwinden können.
Diese Episode war für mich wirklich extrem beängstigend, und ich bin so froh, dass ich es geschafft habe, alles zu überwinden. Irgendwann Mitte Dezember entschieden Anja und ich, dass ich nicht mehr ins Krankenhaus gehen würde. Ich blieb zu Hause, und wir warteten, wie es weiterging.
Wir haben uns so intensiv mit dem Tod beschäftigt und im nachhinein so krasse Gespräche geführt als ich wieder gesprochen habe.
Ich habe gelernt, mit der nicht-akuten Todesangst umzugehen. Die Todesangst während eines Herzinfarkts oder einer anderen akuten Situation, wen man denkt, dass man gerade stirbt, unterscheidet sich extrem von den Gedanken, die einen beschäftigen, wenn man allein ist und sich vorstellt, wie es sein wird, was passieren wird und wie es sich anfühlen könnte. Ja wenn man sich Tag für Tag mit dem Sterben anfreundet.
Ich habe mich schon oft in meinem Leben mit dem Tod auseinandergesetzt, aber so nah wie damals habe ich mich ihm selten gefühlt. Nicht im Krankenhaus an Schläuchen, nicht im Schockraum kämpfend, sondern „einfach so“ – bei jedem Atemzug, bei jedem Herzschlag, bei jedem Gedanken. Ich habe immer wieder gespürt, wie schwer mir alles fiel, wie nah das Ende war.
Während den Ereignissen in denen ich reanimiert werden musste, akut gegen das sterben mit vielen Ärzten und Pflegern kämpfte, empfand ich den Tod oft als vielleicht sogar die bessere Option. Ich wollte und möchte immer leben, weil ich es liebe zu leben. Aber ich hatte nie Angst vor dem Tod, er war irgendwie gutmütig, sanft schwerelos, dass sind zumindest die „Gefühle“ die ich habe wenn ich an Momente denke in denen ich laut Ärzten schon fast Tod war… Ich musste ihm auch nie seelenruhig gegenüber sitzen, ich war voller Adrenalin. kämpfend mit einer Truppe von den allerbesten Ärzten und Pflegern die es gibt. Ja vielleicht hatte der Tod ja sogar Angst vor mir und meiner Crew. Hingegen letztes Jahr als es leise war, ohne verhüllte Menschen in weissen bzw grünen Overalls, kein grelles Licht, kein piepen, keine Defris, keine Schläuche, sondern nur die Nacht, Tränen und ich. Da machte der Tod mir Angst. Nicht Tod sein und das sterben schon gar nicht. Sondern, dass nicht mehr auf der Welt zu sein mit Anja. Dass machte mir am allermeisten Angst. Was passiert mit Anja, wie geht es Ihr in 2-5-10 Jahren? Ich hatte keine Kraft mehr um zu sprechen, um zu essen oder so, wir haben uns einfach wochenlang in den Armen gelegen und mal zusammen, mal alleine geweint. Ich habe mir sehr grosse Vorwürfe gemacht, dass ich wegen meiner Ignoranz in Sie verliebt zu sein Ihr Leben kaputt gemacht habe. Es war wahrscheinlich der schlimmste Monat in den letzten 20 Jahren, weil mir klar wurde, dass es hier nicht nur um mein Leben geht.
Gerne würde ich euch mitteilen was es war und wie es wieder besser wurde… es ging nach 2 Monaten ein wenig besser und nach einer heftigen Infektion mit über 10 Tage am Stück jeden Tag über 40,5 Grad Fieber auf einmal wieder Step by Step aufwärts die ganze Episode dauerte knapp 6 Monate und die beschriebene Phase 5 Wochen.
Darum hätte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen können, dass ich mich nach einem halben Jahr wieder davon erholen würde. Heute geht es mir sehr gut. Was ich machen kann und was wir planen, fühlt sich fast schon unglaublich an.
Meine Lungenkapazität liegt noch immer unter 30 %, und das wird sich nicht mehr bessern. Ich habe weiterhin eine schwergradige dreifache KHK am Herzen. Auf dem einen Auge sehe ich 45 %, auf dem anderen 10 %. Meine Organe, meine Muskeln, Knochen & Gelenke ,meine Haut und Schleimhäute sind nach meiner GVHD und der Transplantation weiterhin stark beschädigt. Ich nehme nach wie vor täglich Opiate gegen die Schmerzen und viele andere Medikamente. Doch im Vergleich zu vor einem Jahr fühlt sich alles kinderleicht an.
Apropos kinderleicht: Trotz all der Narkosen, Opiate, Immunsuppressiva und der vielen anderen Medikamente, die ich nehmen musste, trotz PTSD und allgemein meiner ganzen Krankheit, fällt es mir noch immer leicht, mich an vieles zu erinnern.
Zur Zeit meiner Knochenmarktransplantation gab es weder Instagram noch YouTube oder iPhones. Wir haben uns noch mit dem Haustelefon (nein, du kannst jetzt nicht telefonieren, ich bin im Internet!) und linearem TV abgelenkt. Podcasts waren damals auch noch nicht in Sicht.
Ab Dezember werde ich zusammen mit Anja ein- bis zweimal pro Woche einen Podcast veröffentlichen, in dem ich euch erzähle, wie meine Knochenmarktransplantation ablief, was ich durchmachen musste und einige Anekdoten dazu teile.
Mehr Infos dazu bald…